"Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen ... Ich glaube an Christus, und ich glaube, dass 800 Millionen Christen auf dieser Erde das Antlitz dieser Erde verändern könnten." (Heinrich Böll)
Dieser Text von Heinrich Böll - entnommen dem Lehrbuch für katholische Religionslehre der zehnten Jahrgangsstufe - scheint charakteristisch zu sein für die Situation des Christentums - und in der Folge des Religionsunterrichts - in der heutigen Gesellschaft. Zwar steht die Identifikation mit Grundüberzeugungen des Christentums weiterhin außer Frage, Böll verweist aber mit gutem Recht auf den Grad der Umsetzung.
Der Religonslehrer steht in der Folge heute immer mehr vor Schülern, die in hohem Maße zu Engagement bereit sind, aber ein folkloristisches oder nur als Worthülse vorhandenes Christentum unserer Tage radikal ablehnen; mit der Vokabel "christlich" im recht verstandenen Sinne können diese Schüler nur mehr sehr bedingt etwas anfangen, weil ihnen zunehmend das Elternhaus Erfahrungen in dieser Richtung nicht mehr zu vermitteln vermag.
Angesichts dieser Situation kommt dem Religionsunterricht in noch weit höherem Maße als früher die Aufgabe zu, den Jugendlichen eine fundierte religiöse Wertorientierung zu vermitteln und ihnen zumindest im Rahmen der Schule ein religiöses Angebot zu geben. Mit ihren Fragen und ihrer Suche nach Geborgenheit soll sie der Weg nicht zu neuen "religiösen" Heilslehren führen.
Basis für begründete Wertentscheidungen ist allerdings zunächst ein Unterricht, der Grundlagen legt, und damit wie jede Art der Unterweisung auch etwas mit Lernen zu tun hat. Dass dann auf dieser Basis auch aktuelle Zeitfragen und die altersgemäße religiöse Problematik zu integrieren sind, steht außer Frage.
Allerdings sind gerade diese Aspekte auch im größeren Umfeld der Schule, außerhalb des eigentlichen Unterrichts, zu verwirklichen: in der Schulgemeinschaft wollen wir Erfahrungs-möglichkeiten bieten.
Im Zentrum des religiösen Lebens an unserer Schule standen hier wie jedes Jahr wieder die ökumenischen Gottesdienste, die von Pfarrer Norbert Schmidt geleitet, von SchülerInnen und ReligionslehrerInnen gestaltet und von Solisten und Ensembles aus dem eigenen Hause musikalisch umrahmt wurden. Unter dem Motto "Vertrauen und Freundschaft" folgten die SchülerInnen beim Anfangsgottesdienst den Spuren des "Kleinen Prinzen" von Antoine de Saint-Exupéry,der im Weltraum mehrere Planeten sowie deren Bewohner besucht und dort Freundschaft und Liebe erlebt und lernt, Verantwortung für Freunde zu übernehmen. "Vom Dunkeln ins Licht" wurde die ganze Schulfamilie beim stimmungsvollen Weihnachtsgottesdienst geführt, um sich auch innerlich auf das vorzubereiten, was wir an Weihnachten feiern - Gott wird Mensch. Vor den Osterferien standen in den 7 Stationen des ökumenischen Jugendkreuzwegs 2014 unter dem Thema "Jener Mensch Gott" die Bilder des Isenheimer Altars im Mittelpunkt und beim Abiturgottesdienst zeichneten Kaplan Sebastian Wild, Pfarrer Norbert Schmidt und sein Vorbereitungsteam unter dem Titel "Es ist nicht immer leicht ... ich zu sein!, den Weg der diesjährigen Absolvia von Kindesbeinen an bis zum Abitur nach.
Neben den genannten Schulgottesdiensten, den Adventsmeditationen, dem Firmvorbereitungs-gottesdienst der 6. Klassen und den Tagen der Orientierung prägten - den einleitenden Sätzen Heinrich Bölls folgend - vor allem die zahlreichen, von Lehrern und Schülern initiierten und durchgeführten sozialen Projekte (vgl. die folgenden Seiten) das religiöse Schulleben am Gymnasium Vilshofen, mit denen wir hoffen ein wenig zur Veränderung unserer Welt durch Christen beigetragen zu haben.
Zu danken gilt es hier vor allem der Schulleitung, die uns bei all unserem Tun tatkräftig oder organisatorisch unterstützte, den KollegInnen der Fachschaft Katholische Religionslehre, die die Hauptlast der zu stemmenden Arbeit schulterten, den vielen vielen Schülerinnen und Schülern, die bei allen Veranstaltungen zuverlässigst ihren Beitrag leisteten, und bestimmt nicht zuletzt unserem evangelischen Kollegen Pfarrer Norbert Schmidt, durch den Ökumene am Gymnasium Vilshofen nicht nur eine Worthülse ist, sondern wahrlich lebt.